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Durchgelesen und für überflüssig befunden

geschrieben von: Redaktion am 27.10.2017, 17:47 Uhr
paperpress546 
Wenn man sich die elf Seiten des so genannten Buchner/Kohlmeier-Papiers durchgelesen hat, ist man so schlau wie vorher. Nichts Neues. Eine Allgemeinweisheit reiht sich an die nächste. Aufgelistet werden alle Themen, die hinlänglich bekannt sind und in der SPD seit Jahren diskutiert werden. Das Papier scheint schon seit einiger Zeit in wessen Schublade auch immer zu liegen. So beweinen die beiden Abgeordneten, wie schlecht es der Sozialdemokratie in Europa geht. Da werden Spanien, Griechenland, Portugal und Frankreich aufgelistet, nur der Nachbar im Süden fehlt. Kein Wort über Österreich, wo die Sozialdemokraten doch gerade ihren Bundeskanzler eingebüßt haben. Hat man vergessen, das Papier zu aktualisieren? Schlimmer noch: Der der SPÖ nahestehende Pensionsverband wird als Beispiel dafür genannt, wie es „durchaus gelingen kann, die Schlagkraft in die Gesellschaft hinein zu erhöhen.“ Das hat ja am 15. Oktober wunderbar geklappt mit der Schlagkraft der Pensionäre. „Wo ist der Mut, eine echte Solidarrente nach österreichischem Vorbild einzuführen?“, fragen Buchner und Kohlmeier. Hat es der SPÖ genützt? Nein.

Warum wird ein offenkundig nicht aktueller „Offener Brief“, der nach alter SPD-Manier zuerst an die Medien ging, gerade heute veröffentlicht? In der nächsten Woche erscheint die neue Forsa-Umfrage. Im Auftrag der Berliner Zeitung werden jetzt rund 1.000 Wahlberechtigte befragt. Da ist ein Papier, das als parteiinterner Streit wahrgenommen wird, genau das richtige, um das SPD-Ergebnis runterzudrücken. Buchner und Kohlmeier brauchen neue Beweise dafür, dass Michael Müller an allem Schuld ist.

Am 11. November findet nicht nur der Karnevalsanfang statt, sondern auch ein Parteitag der Berliner SPD. Und da will man natürlich schon im Voraus für Wirbel sorgen. Ein wenig Pech haben Buchner und Kohlmeier dennoch mit ihrem Papier, denn am selben Tag hat sich auch Olaf Scholz aus Hamburg kritisch zu seiner Partei geäußert. Scholz‘ Kritik nimmt in den Medien natürlich einen höheren Stellenwert ein. Übrigens: Ergebnis Hamburger SPD bei der Bundestagswahl: 23,5% = 8,9% Minus. Ergebnis Bürgerschaftswahl 5.2.2015: 45,6%, im Verhältnis zur Bundestagswahl 2017 also ein Minus von 22,1%. Olaf Scholz ist geradezu ein Kronzeuge, wenn es um Kritik an der SPD geht. Man sollte immer zuerst an sich selbst denken, bevor man andere beschimpft.

Das ist auch nicht gerade die hervorragende Eigenschaft von Dennis Buchner. Bei der Abgeordnetenhauswahl 2016 war er Landesgeschäftsführer und Kampagnenbeauftragter für den Wahlkampf. Mit 21,6% hat es zwar die SPD geschafft, wieder stärkste Partei zu werden, jedoch hat sie zu 2011 6,7 Pro-zentpunkte eingebüßt. Wie viel davon geht auf das Konto von Buchner? Als Michael Müller ein knappes halbes Jahr vor der Wahl 2016 wieder Landesvorsitzender wurde, laut Buchner/Kohlmeier durch „Er-pressung der Partei“, hätte er gleich Dennis Buchner, den sein Vorgänger Jan Stöß eingesetzt hat, raus-schmeißen und durch einen besseren ersetzen sollen. Es war ein Fehler, Buchner zu behalten. Buchners Rache hätte Müller so und so zu spüren bekommen.

Buchners Wahlkreis „Weißensee-Nord, Blankenburg und die Stadtrandsiedlung Malchow“ liegen im Bezirk Pankow. Dort erzielte die SPD 15,7% bei der Bundestagswahl, 6,3% weniger als vor fünf Jahren. Sven Kohlmeier, der sich selbst auf „facebook“ als „Liebling Kaulsdorf“ bezeichnet, hat in seinem Bezirk Mar-zahn-Hellersdorf auch nur 14,5% eingefahren, ein Minus von 4,7%. Buchner und Kohlmeier haben ge-nauso verloren, wie viele andere auch. In ihrem Papier ist von Selbstkritik jedoch nichts zu lesen.

Was soll das?

Warum belästigen uns Buchner und Kohlmeier mit einem Papier, das allein für SPD-Mitglieder von Interesse sein könnte? „Wir müssen uns für öffentliche Debatten über den richtigen Weg für die SPD nicht schämen. Dies kann vielmehr ein deutliches Zeichen an unsere Wähler sein: Wir haben tatsächlich verstanden“, steht im Schlusssatz des Papiers. An parteiinterne Diskussionen will kein Außenstehender teilnehmen. Der Wähler möchte hören, welche Ziele eine Partei verfolgt. Wie sie zu ihrem Partei- oder Wahlprogramm gekommen ist, will niemand wissen. Ergebnisse und nicht Debatten zählen. Buchner und Kohlmeier haben nichts verstanden.

„Wir wollen mit diesem Papier und unseren Überlegungen eine ehrliche Debatte über den Zustand und die Zukunft unserer Partei anstoßen.“ Spätestens beim Wort „ehrlich“ flimmern einem die Augen. Sie können so lange diskutieren wie sie wollen, aber – nochmals – keinen außerhalb einer Partei interessieren die internen Auseinandersetzungen. Warum also dieses Papier, das niemand braucht?
Die Antworten finden sich verklausuliert auf den Seiten 2 und 4. An Beispielen aus anderen Bundesländern wird Michael Müller unverhohlen nahegelegt, seine Ämter aufzugeben. „Hannelore Kraft hat ohne Zögern am Wahlabend die Konsequenzen gezogen und ihre Spitzenfunktionen niedergelegt.“ Kleiner Unterschied NRW zu Berlin: Die SPD hat in NRW die Wahl mit 31,2% zu 33% CDU verloren. Hannelore Kraft ist also abgewählt worden, was einen Rücktritt überflüssig machte. In Berlin hat die SPD mit Michael Müller die Wahl gewonnen. Das ist nicht der einzige Punkt, wo Buchner und Kohlmeier Äpfel mit Birnen vergleichen.

Besonders aufschlussreich ist ein anderer, halbwegs gut verpackter Punkt in den allgemeinen, hinlänglich bekannten Themen: Der Mitgliederentscheid. Aus der Parteigeschichte werden die Entscheide Ingrid Stahmer (1995) und Walter Momper (1999) hervor-gekramt und mit Michael Müller (2014) verglichen. Weder Stahmer noch Momper gewannen die Abgeordnetenhaus-Wahl gegen den CDU-Amtsinhaber Eberhard Diepgen. Die Ausgangslage war damals eine gänzlich andere. Darum geht es aber nicht.

Da können die Freunde von Raed Saleh noch so heftig auf „facebook“ dementieren, es ist ganz offen-kundig, dass Raed Saleh – drücken wir es vorsichtig aus – von dem Papier wusste und er es billigend hat passieren lassen. Es gibt auch Leute, die behaupten, Saleh hätte an dem Papier mitgewirkt, weil es die gleiche Intension hat wie sein Tagesspiegel-Artikel.

Ein ordentlicher und anständiger Fraktionsvorsitzender hätte die Herausgabe so eines Pamphlets verhindert. Und sollte er es tatsächlich zeitgleich mit den Medien bekommen haben, hätte er sich sofort vor den Regierenden Bürgermeister stellen müssen. Das hat er nicht getan, und er wird es nicht tun. Der Machtkampf zwischen Saleh und Müller befindet sich seit heute auf dem Höhepunkt.

Warum erklärt Raed Saleh nicht seinen Anspruch auf den Posten des Parteivorsitzenden, so wie es Michael Müller 2016 getan hat? Im nächsten Jahr sind Partei-Wahlen, da könnte Saleh ja antreten. Oder kneift er wieder? Saleh fürchtet einen Mitgliederentscheid wie der Teufel das Weihwasser. Die Mitglieder der Berliner SPD würden ihn nicht wählen, das weiß er. Nur auf einem Landesparteitag hätte er eine Chance, wenn er möglichst vielen vor der Wahl alle möglichen Posten verspricht. Würden die Saleh-Leute – wie auch immer – es schaffen, Michael Müller zur Aufgabe seiner Ämter zu bewegen, gäbe es Neuwahlen. Es ist nicht vorstellbar, dass Linke und Grüne das Personalchaos in der SPD hinnehmen würden. Und gäbe es Neuwahlen, bliebe es danach bei R2G, mutmaßlich mit einem Bürgermeister der nicht Raed Saleh, sondern Klaus Lederer heißt. Das alles wissen die Genossinnen und Genossen. Anstatt den Träumen von Raed Saleh in die Realität verhelfen zu wollen, sollte die Partei lieber auf Leute wie Andreas Geisel hören. Er schrieb bei „facebook“:

„Seriöses Arbeiten ist jetzt angesagt, nicht Foulspiel in den eigenen Reihen. Das gilt für uns alle. Auch die Mitglieder der SPD-Fraktion müssen am gemeinsamen Erfolg interessiert sein, denn Rot-Rot-Grün ist bundesweit die Alternative zur anstehenden konservativen Jamaika-Koalition. Da sind Spiele mit dem Feuer mehr als unangebracht. Wer die SPD inhaltlich erneuern will, der soll bitte auch inhaltliche Vorschläge machen und nicht nur billige Schlagzeilen ergattern. Die Berlinerinnen und Berliner erwarten Taten von uns. Von uns allen, nicht nur vom Regierenden Bürgermeister.“

Und Dilek Kolat schreibt: „Während Michael Müller alles tut, um den Air Berlin Beschäftigten eine Zukunft zu geben, funken ‚junge Männer‘ unsolidarisch dazwischen...Wie sollen wir die Menschen von der SPD überzeugen, wenn wir selbst von unserer Arbeit nicht überzeugt sind? Welchen Beitrag haben Dennis Buchner, Sven Kohlmeier und deren Chef Raed Saleh zum Wahlergebnis der Berliner SPD geleistet?“

In den Medien wird es in den nächsten Tagen nicht um die Prosa gehen, die Buchner, Kohlmeier und Saleh so gern aufschreiben lassen, sondern nur um die Machtfrage in der Berliner SPD. Wie sagte Horst Seehofer angesichts des unerfreulichen Wahlergebnisses für die CSU in Bayern einen Tag, nachdem einige Hinterbänkler den Aufstand probten, so richtig? „Der Schaden ist schon entstanden!“

Ed Koch



  
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