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Nach dem Volksentscheid: Das Gejammer ist unerträglich

geschrieben von: Redaktion am 31.05.2014, 10:25 Uhr
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Über das Verhalten der Medien nach dem Volksentscheid kann man nur den Kopf schütteln. Ihr Anteil am Scheitern der Senatspläne ist nicht unerheblich, waren es doch bestimmte Journalisten, die den Menschen geradezu einredeten, dass es hier um mehr als nur eine Randbebauung auf einem ehemaligen Flugfeld ging. Das Abdrucken von bereits ausgefüllten Stimmzetteln zugunsten der Initiative 100-Prozent-Tempelhof in einer großen Berliner Zeitung, war auch nicht gerade das, was man sauberen Journalismus nennt. Dass eine andere Zeitung am nächsten Tag einen Stimmzettel für den Senatsentwurf abdruckte, kann eher als Retourkutsche verstanden werden.

Auch die Notwendigkeit eines Neubaus für lich dargestellt worden. Wowereit wolle sich ein Denkmal bauen. Und jetzt bejammern plötzlich viele, was denn nun werden solle und machen tolle Vorschläge, deren Realisierundie Zentrale Landesbibliothek ist im Vorfeld des Volksentscheids eher diffamiert als sachg sehr fraglich ist. Ganze Serien wurden in dieser Woche gestartet, um herauszubekommen, wo man in Berlin noch bauen könne. Erstaunliches Ergebnis: wenig landeseigene Grundstücke, auf denen man preiswerten Wohnraum errichten könnte. An der Stelle darf nicht unerwähnt bleiben, dass frühere Senate auf Teufel komm raus, Landesgrundstücke verscherbelt haben. Das hilft dem jetzigen Bausenator wenig.

Und man stellte fest, dass dort, wo vielleicht gebaut werden könnte, schon die nächste Bürgerinitiative in den Startlöchern steht, um das zu verhindern. Man hat gelernt, dass es in Berlin ein ausreichendes Potenzial gibt, um eigentlich alles zu verhindern. Es ist das Hase-und-Igel-Spiel: Hase will bauen und Igel steht schon mit Transparenten und Unterschriftslisten auf dem Grundstück, live übertragen in der Abendschau.

Auf der politischen Seite hält sich das Aufgeregt sein in Grenzen, was sehr angenehm ist. In dem ganzen Verfahren hat Senator Michael Müller die beste Figur abgegeben. Er hat mit großer Kraft gekämpft und hatte, wie ihm nun attestiert wird, sehr gute Argumente. Das hätte man den Wählern mal vorher mitteilen sollen. Völlig inakzeptabel ist jedoch die einseitige Schuldzuweisung. Es ist bequem, jemanden zu haben, auf den man zeigen kann. Aber zur Erinnerung: Es handelte sich um den Entwurf eines Gesetzes des Abgeordnetenhauses von Berlin. Und auch das muss zur Erinnerung gesagt werden: Dort bestimmt eine Koalition aus SPD und CDU das Geschehen.

Die CDU jedoch macht sich die Sache einfach. Man glaubt es ja kaum, dass Frank Henkel nicht bereit war, gemeinsam mit Michael Müller – in Abwesenheit des Regierenden Bürgermeisters – die Senatspressekonferenz durchzuführen. Das ist doch wirklich erbärmlich.

Der stadtentwicklungspolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Stefan Evers, hat offensichtlich überhaupt nichts mitbekommen. Seine Äußerungen einen Tag vor dem Entscheid im Tagesspiegel, waren alles andere als hilfreich. „Eine öffentliche Debatte verschiedener Varianten hat es nie gegeben“, sagte Evers dem Tagesspiegel. Ist die CDU in dieser Frage nicht beteiligt gewesen? Und anstatt sich nach der Abstimmung etwas zurückzunehmen, schließlich gehört auch er zu den Verlierern, legt er in der BZ gleich nach. „Mehr Zeit für echte Bürgerbeteiligung wäre gut in-vestiert gewesen. Wer für das Tempelhofer Feld plant, muss das beherzigen und darf sich nicht in Planungen verbeißen." Nein, Herr Evers hat nichts mitbekommen. Vielleicht sagt ihm mal jemand, in welcher Koalition sich seine Partei befindet. Wer solche Koalitionsfreunde hat, braucht wirklich keine Feinde.

Und wer Parteifreunde hat, braucht erst keine Feinde. Da labert sich der Landesvorsitzende der SPD, Jan Stöß, voller Stolz, über das gute Abschneiden seiner Partei bei der Europa-Wahl aus. Immerhin im vorletzten Absatz seines Schreibens an die Mitglieder geht es um den Volksentscheid.

„Die Wählerinnen und Wähler haben den Gesetzentwurf des Abgeordnetenhauses für einen maßvollen Wohnungsbau am Rand des Tempelhofer Feldes und den Erhalt des Freiraums im inneren Feld mit deutlicher Mehrheit abgelehnt und für ein striktes Bauverbot gestimmt. Das ist für uns ohne Zweifel ein herber Schlag ins Kontor. Wir haben gestern im Landesvorstand darüber intensiv diskutiert und werden das Ergebnis weiter analysieren. Klar muss sein: Wir werden unsere Verantwortung als Berlin-Partei weiter wahrnehmen und für die wachsende Stadt Woh-nungen und soziale Infrastruktur schaffen.“ Fällt Ihnen, verehrte Leserinnen und Leser etwas auf? In dem Teil zur Europa-Wahl kriegt sich Stöß vor lauter Freude über die Berliner „Spitzenfrau“, Sylvia-Yvonne Kaufmann, gar nicht ein. Und auch Martin Schulz und Frank-Walter Steinmeier werden lobend erwähnt. Aber mal mit einem Wort Klaus Wowereit und vor allem Michael Müller für ihren engagierten Einsatz zu danken, gelingt Herrn Stöß nicht. Das ist noch erbärmlicher als das Verhalten von Frank Henkel und Stefan Evers.

Wenn man denkt, dass es keine Steigerung von erbärmlich geben kann, dann sollte man sich den RadioEins Frühkommentar von Lorenz Maroldt, dem Chefredakteur des Tagesspiegels, vom 27. Mai anhören. Das Abstimmungsergebnis bezeichnete er als „sozialdemokratischen Super Gau“. Eine recht einseitige Beurteilung. Und dann erregte er sich darüber, dass Wowereit einen Tag später nach Peking gereist ist. Sicherlich eine ganz spontane Entscheidung des Regierenden Bürgermeisters, geradezu eine Flucht. „Das muss für ihn dort eine Art Regierungsparadies sein“, vermutet Maroldt in seinem Radiokommentar. „China, da wird zwar ab und zu mal einer hingerichtet, aber so etwas wie Tempelhof wäre da nicht passiert.“ Ja, Herr Maroldt, über so einen Kommentar hätte man Ihnen in China anschließend lange Zeit die Möglichkeit gegeben, gründlich nachzudenken. In Maroldts Frühstückskaffee müssen sich am 27. Mai schlimme Substanzen befunden haben.

Kommen wir zum Schluss zu einem Begriff, der große Chancen hat, Wort des Jahres zu werden: „Stadtgesellschaft“ oder „Bürgergesellschaft“. Diese müsse man künftig, so der SPD-Fraktions-vorsitzende Raed Saleh, vorher beteiligen, einbinden, mitmachen und letztlich entscheiden lassen. Denn, mache man das nicht, dann gibt es sofort den nächsten Volksentscheid. Wer ist die Stadtgesellschaft? Sind das jene 738.124 von insgesamt 2.491.140 Wahlberechtigten in Berlin? Auch wenn am Tage nach der Abstimmung immer wieder behauptet wurde, 64,3 Prozent der Berliner hätten sich für 100-Prozent-Tempelhof ausgesprochen, so waren es – leicht nachzurechnen – 29,62 Prozent, also 4,62 Prozent über dem erforderlichen Quorum von 25 Prozent.

Ich dachte bislang immer, dass es Wählerinnen und Wähler gibt, die alle fünf Jahre entscheiden, wer die Stadt führt. Von Parallelgesellschaften habe ich schon gehört. Dabei handelt es sich im Wesentlichen aber um Mitbürger, die gar nicht wählen dürfen. Berlin hat also eine „Stadtgesellschaft“, die dem gewählten Parlament sagen will, wo es langgeht. So rum verstehe ich nicht unsere repräsentative Demokratie.

Noch eine Anmerkung. Neben den vielen fürchterlichen Kommentaren, die in dieser Woche erschienen sind, hebt sich einer besonders positiv ab, nämlich der von Klaus Bartels, dem Redaktionsleiter des Berliner Abendblatts. Unter der Überschrift „100 Prozent scheinheilig“ schreibt er:

„Berlin ist um eine Touristen-Attraktion reicher: Ein Stückchen Ödnis in der Stadt steht nun unter Artenschutz. Das ist das Ergebnis des Volksentscheids zum Tempelhofer Feld. Besucher aus anderen Metropolen wie London und New York werden künftig eine Steppe als Sinnbild für ideologischen Eigensinn in dieser Stadt bestaunen können.

15.000 neue Wohnungen braucht Berlin im Jahr - wo könnten welche entstehen, wenn nicht hier? Das sieht ein großer Teil der Bürgerschaft anders. Auch jener Teil, der Vermieter schnell als Gierschlünde abstempelt, wenn sie mehr als neun Euro Miete pro Quadratmeter berechnen. Es sind diese Bürger, die reflexhaft abwehren, wenn es um Wachstum und Entwicklung in der Stadt geht. Doch Berlin lässt sich nicht einfrieren. Wer arm und sexy ist, der wird nicht arm bleiben. In die pulsierende Metropole hält auch der Wohlstand Einzug. Dieser bildungs- wie einkommensstarke Zuwachs birgt Chancen wie Risiken. Aufhalten lässt er sich nicht. Jetzt muss halt anderswo gebaut werden - vielleicht eine neue Kleingartenkolonie dem Zuzug weichen.

4.500 bezahlbare Wohnungen sollten am Tempelhofer Feld gut geplant entstehen. Weil sie jetzt fehlen, werden Mieten im Kiez bald steigen. Dann werden jene, die jetzt jubeln wieder lauthals schimpfen - über Gentrifizierung und Mithaie: 100 Prozent-scheinheilig ist das.

An der Herausforderung bis 2030 Neu-Berliner in der Größenordnung der Stadt Bochum willkommen zu heißen, droht die Hauptstadt zu scheitern. Am Tempelhofer Feld hat der Senat in punkto Stadtplanung diesmal sehr viel richtig gemacht. Die deprimierende Erkenntnis für Klaus Wowereit und Frank Henkel muss Iauten: Mit solchen Bürgern ist schwer Stadt zu machen.“

Ed Koch

Anmerkung: Wir hatten am Wochenende keine Gelegenheit, Herrn Bartels um Genehmigung für den Abdruck zu bitten und hoffen, dass er sich ausnahmsweise nachträglich damit einverstanden erklärt. Danke.

  
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