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Hört die Signale

geschrieben von: Redaktion am 25.09.2011, 08:36 Uhr
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Wie viele Kreise, Gruppen und Zirkel es tatsächlich in der Berliner SPD gibt, weiß kein Mensch genau. Es gibt aber auf jeden Fall Linke in der SPD und nicht ganz so Linke. Der so genannte Donnerstagskreis rechnet sich zu den Linken, den Fortschrittlichen. Ob dieser Kreis überhaupt noch eine Bedeutung in der SPD hat, ist fraglich. Auf jeden Fall ist er aber eine Veranstaltung der Ex-SPD-Abgeordneten Hans-Georg Lorenz und Gerlinde Schermer, die sich in regelmäßigen Abständen mit Presseerklärungen zu Wort melden, in denen beklagt wird, dass die SPD eigentlich nicht so ist, wie sie nach ihrer Meinung sein sollte.
In der jüngsten Presseerklärung vom 22. September 2011 wird behauptet, dass bei der Wahl vor einer Woche Berlin den Fortschritt gewählt hat. Und es wird die Frage gestellt „Was macht die SPD daraus?“. „Die Wähler können einem Leid tun“, schreiben Lorenz und Schermer.

„Da strafen sie (die Wähler) die konservativen Parteien brutal ab, reduzieren ihren Anteil auf 23 Prozent, und was passiert? Die Presse feiert die ‚Wiedergeburt der CDU’ – als wäre sie ‚aus Ruinen auferstanden’! Und einige in der SPD meinen gar ängstlich, man könne es doch noch einmal mit der CDU als Bündnispartner versuchen!“, steht in der Presseerklärung.

Schaut man sich das Wahlergebnis etwas genauer an, ist festzustellen, dass diese Aussage, was die FDP betrifft, korrekt ist. Ob sich die FDP als konservative Partei bezeichnen lassen möchte, steht auf einem anderen Blatt. Die CDU hat zwei Prozent dazu gewonnen, was nicht gerade nach Abstrafen aussieht. Noch bis Anfang August lag die CDU in allen Umfragen teilweise deutlich hinter den Grünen und hat schlussendlich einen Vorsprung von satten sechs Prozent eingefahren. Auch hier kann ich nicht erkennen, was der Donnerstagskreis mit abgestraft meint. Die Linke wie die SPD haben je rund zwei Prozent verloren. Das sieht auch nicht gerade nach einem tollen Sieg für das Linke Spektrum aus. Und welchem politischen Spektrum die Grünen, die immerhin viereinhalb Prozent seit der Wahl 2006 hinzugewonnen haben, angehören, sollte man sich einmal näher anschauen. Links? Oder doch inzwischen eher bürgerlich als Nachfolgepartei der FDP? Ob der fulminante Einzug der Piraten das linke Lager stärkt, sollten wir einmal abwarten. Diese Partei ist von ihrem Sieg so überrascht worden, dass sie im Voraus nicht einmal überall für genügend Kandidaten gesorgt hat. Jetzt bleiben in den Bezirksverordnetenversammlungen Stühle leer. Noch versuchen die Piraten coram publico ihr Chaos in funktionierende Politik umzuwandeln. Und wie schön ist es doch mit anzusehen, dass sie die gleichen Prioritäten setzen, wie die anderen Parteien. Erst einmal geht es um Posten und dann sehen wir weiter. Schnell gelernt. „Da können die Wähler den Glauben an die Welt, vor allem aber den Glauben an die Vernunft der SPD verlieren!“, schreiben die Donnerstagskreisler. Den Glauben an die SPD haben Frau Schermer und Herr Lorenz längst verloren, warum sie immer noch meinen, dazugehören zu wollen, erschließt sich mir nicht.

Teilen der SPD würde nichts einfallen außer ein „Bündnis mit dem ehemaligen Koalitionspartner, mit dem sie nichts verbindet als eine unrühmliche Vergangenheit ohne Perspektive!“ Ist das so? Es mag sein, dass sich die Mehrheit der Wähler Rot-Grün wünschen, aber, wie Michael Müller schon einen Tag nach der Wahl richtig feststellte, sie haben nicht so gewählt. Das Wahlergebnis möchte eindeutig eine Rot-Schwarze Koalition mit einer stabilen Mehrheit und keinen Wackelpudding, bei dem der Koalitionsausschuss öfter tagt als der Senat.

Schon die Sondierungsgespräche haben aber gezeigt, dass alles auf Rot-Grün zuläuft. Nach einem Gespräch mit der CDU hieß das Fazit, wir haben uns nichts mehr zu sagen. Dafür hat man sich mit den Grünen bereits ein zweites Mal getroffen und will nun am Montag den Landesvorstand entscheiden lassen, mit wem man in Koalitionsverhandlungen eintritt. Eine völlig unspannende Frage. Natürlich mit den Grünen. Und als Überraschungsbonbon wird ein Kompromiss zur A 100 präsentiert. Darauf freue ich mich am meisten. Wie kann es einen Kompromiss in einer Entweder-Oder-Frage geben? Ein Tunnel?

Kriegserklärung an die CDU

In der Presseerklärung des Donnertagskreises wird es nunmehr konkret. Es folgt eine Kriegserklärung an die CDU. „Wie sollte eine fortschrittliche Partei reagieren, die ein gesellschaftspolitisches Anliegen hat“, wird einleitend gefragt. Mit „fortschrittlicher Partei“ ist vermutlich die SPD gemeint. Hier die Antwort: „Sie sollte mit allen fortschrittlichen Parteien Wahlbündnisse eingehen, und überall in den Bezirken solche Bürgermeister wählen, die entweder der SPD angehören oder den Grünen – oder auch der Linken. Die CDU würde keinen Bürgermeister stellen. Das wäre ein Signal!“ An wen?

Lassen wir einmal dahingestellt, wie fortschrittlich SPD, Grüne und Linke tatsächlich sind. Bei den Sitzungen des Donnerstagskreises können die Mitglieder nicht nur Wasser trinken, irgendetwas müssen sie auch rauchen. Im Nebel erkennen sie noch, dass das „Geschrei“ groß wäre. „Undemokratisch - würden die CDU und ihr Anhang schreien“, vermuten die Sozialdemokraten des Donnerstagskreises zu Recht. „Aber undemokratisch ist nur das jetzige Verfahren, das einer Partei die Führung im Bezirksamt ermöglicht, die sich in der BVV in der Minderheit befindet. Am deutlichsten wäre das geworden, wenn die SPD bei dem gesetzlich festgeschriebenen ‚politischen Bezirksamt’ geblieben wäre. Dann wäre diese CDU in keinem Bezirksamt vertreten und es wäre klar, dass sich die überwältigende gesellschaftliche Mehrheit von Berlin auch in den Bezirken bei den fortschrittlichen Kräften wieder findet.“

Hier wird der Qualm dichter. Einerseits wird beklagt, dass das jetzige Verfahren undemokratisch sei, was nicht stimmt, andererseits ist man offenbar davon begeistert, dass Dank der Möglichkeit der Zählgemeinschaften, sich Minderheiten gegen die Mehrheit zusammenschließen können. In Baden-Württemberg ist die CDU nach wie vor, auch nach aktuellen Umfragen, deutlich die stärkste Partei. Die Minderheitsparteien Grüne und SPD haben dennoch eine Koalition gebildet.

In vier Bezirken ist die SPD, in zwei die Linke und in einem sind die Grünen die stärkste Partei. In fünf die CDU. An dieser Stelle sollten wir erwähnen, dass die Bezirksämter keine Regierungen und die Bezirksverordnetenversammlungen keine Parlamente sind. Die Stadtverordnetenversammlung von Jüterbog, wo heute ein neuer Bürgermeister gewählt wird, hat mehr Rechte und Kompetenzen als eine BVV in Berlin. Vor der Wiedervereinigung war es so, dass die stärkste Partei den Bezirksbürgermeister stellen konnte. Das war Konsens. Mit Einführung der Zählgemeinschaften hat sich das verändert. Aber immer noch spiegelt die Zusammensetzung des Bezirksamtes, also Bürgermeister plus (jetzt) vier Stadträte, das Wahlergebnis im Bezirk wider, das heißt, alle Parteien, die über rund neun der 55 Mandate verfügen, sind mit einem Mitglied im Bezirksamt vertreten.

Nur in Friedrichshain-Kreuzberg (Grüne), Neukölln (SPD), Reinickendorf, Spandau und Steglitz-Zehlendorf (alle CDU) stellen die jeweiligen Parteien drei der fünf Bezirksamtsmitglieder, haben also die Mehrheit. Dennoch können sie mit dieser Mehrheit nicht all zu viel bewegen, vor allem, wenn die BVV ein Wörtchen mitzureden hat. Dazu bräuchte man 28 Mandate in der BVV. In Friedrichshain-Kreuzberg kommen die Grünen aber nur auf 26, die SPD in Neukölln auf 27, und die CDU in Reinickendorf auf 26, Spandau 23 und Steglitz-Zehlendorf 24.

In Steglitz-Zehlendorf gab es bislang die einzige Schwarz-Grüne Zählgemeinschaft. Von der hat man so wenig gehört, dass man vermuten kann, es lief reibungslos. Eine Fortsetzung ist also nicht ausgeschlossen. In Spandau könnten SPD (21), Grüne (6) und Linke (1) den Bürgermeister mittels einer Zählgemeinschaft wählen. Im Bezirksamt stünde es aber 3:2 für die CDU. In Reinickendorf müsste die SPD (17) mit den Grünen (8) und der Piratenpartei (4) eine Zählgemeinschaft gegen die CDU bilden, um den Bürgermeister stellen zu können. Im Bezirksamt die gleiche Situation wie in Spandau 3:2 für die CDU.

In Neukölln müssten sich CDU (13), Grüne (8), Linke (3) und Piraten (4) zusammenschließen, um Heinz Buschkowskys Wiederwahl zu verhindern. Im Bezirksamt stünde es dennoch 3:1:1 für die SPD. Also höchst unwahrscheinlich.

Charlottenburg-Wilmersdorf und Tempelhof-Schöneberg sind die einzigen Bezirke, wo es spannend werden könnte. In beiden Bezirken liegt die CDU vorn und stellt jeweils zwei Bezirksamtsmitglieder. Die SPD hat ebenfalls je zwei, die Grünen jeweils einen. Sie könnten also in Zählgemeinschaften die CDU-Bürgermeisterkandidaten aushebeln und hätten somit in der BVV und im Bezirksamt eine Mehrheit. Aber auch Schwarz-Grün ist denkbar mit dem gleichen Ergebnis. In Charlottenburg-Wilmersdorf war es vor fünf Jahren schon fast so weit, in letzter Minute entschieden sich die Grünen jedoch um und setzten die Zählgemeinschaft mit der SPD fort. In Tempelhof-Schöneberg passen die Grünen eigentlich zu gar keiner anderen Partei. Sie haben sich in den letzten fünf Jahren als Nein-Sager und Investorenbremse profiliert. Einziger erinnerbarer Erfolg, Dank sozialdemokratischer Hilfe, das Offenhalten einer Grundschule in Lichtenrade, die eigentlich hätte geschlossen werden müssen. Das Problem, das die Grünen mit der CDU in Tempelhof-Schöneberg haben, ist deren Kandidat. Nicht irgendwer. Bernd Krömer ist auch Generalsekretär der Landes-CDU und als solcher scharfer Kämpfer gegen die Grünen im Wahlkampf gewesen, auch gegen die SPD, versteht sich. Sinnvoll wäre die Fortsetzung der Rot-Schwarzen Zählgemeinschaft, auch wenn diese jetzt Schwarz-Rot heißen würde. Doch dann müsste die SPD auf den Bürgermeisterposten verzichten. Schon einmal haben Rot und Grün in Schöneberg gegen die Mehrheitsfraktion CDU eine Bürgermeisterin durchgesetzt. Wiederholung nicht ausgeschlossen.

Das politische Unterhaltungsprogramm der nächsten Wochen wird also in Berlin und einigen Bezirken heißen: Koalitions- bzw. Zählgemeinschaftsverhandlungen SPD und Grüne. Nicht in Neukölln. Denn Heinz Buschkowsky ist mit den dortigen Grünen schon lange fertig. Und wie so häufig hat der Mann einfach Recht.

Ed Koch


  
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