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Eigentlich unerträglich

geschrieben von: Redaktion am 30.03.2019, 20:32 Uhr
paperpress563 
Politisches Engagement ist in einer Demokratie unerlässlich. Schwer zu sagen, ob man die 249 Landesdelegierten der SPD bewundern oder bemitleiden soll. Einen ganz Tag lang, während draußen im richtigen Leben selbiges tobte und die Sonne schien, saßen sie in einer Halle ohne Tageslicht, dem „Berlin Congress Center“ am Alexanderplatz. Stundenlang wurden Anträge beraten und darüber abgestimmt. Da noch durchzublicken, erfordert viel Konzentration und vor allem kein Schmerzempfinden.


Mit Tee und ein paar Snacks habe ich es mir vor meinem Computer gemütlich gemacht und per Livestream den Parteitag verfolgt. Beim Thema Lehrerverbeamtung war ich dann so erschöpft, dass ich abschaltete. In der Abendschau habe ich erfahren, dass der Antrag auf Verbeamtung der Lehrer zwar abgelehnt wurde, aber ein anderer noch ein Hintertürchen offenlässt. Das ist offenbar das, was man unter „der Partei des donnernden Sowohl-als-auch“ versteht, ein Zitat von Willy Brandt an das ein Delegierter erinnerte.

Mir war bislang entgangen, dass die SPD ein äußerst perfides System zur Beendigung von unliebsamen Debatten eingeführt hat. Ausgerechnet beim wichtigen Thema „Wohnen und Mieten“, wurde diese Karte gezogen. Wenn nämlich die Rednerliste, die quotiert sein muss, nur noch aus einem Geschlecht besteht, kann das Ende der Debatte beantragt wer-den. Plötzlich standen nur noch Männer auf der Rednerliste und schon wurde der Antrag gestellt und natürlich angenommen. Wenn man es geschickt anstellt, kann frau/man so jede Debatte vorzeitig beenden. Dieses System ist zutiefst undemokratisch.

Ganz demokratisch ging es bei den zahllosen Ab-stimmungen zu, die nur Insider in der Lage sind zu verfolgen. Wenn ich es richtig verstanden habe, hat die SPD das Thema „Enteignung“ auf den nächsten Parteitag im Oktober verschoben. Zeit also, sich die Sache noch einmal gründlich zu überlegen. SPD-Fraktionsvorsitzender Raed Saleh hat in der Abend-schau die einzig richtige Frage in diesem Zusammenhang gestellt. Warum sollen Unternehmen ab 3.000 Wohnungen enteignet werden? Die Zahl ist willkürlich gewählt. Unter den Gesellschaften mit einem großen Bestand können schließlich sehr gute sein, die sich um ihre Mietern kümmern während kleinere Gesellschaften für die Mieter der größte Horror sind. Unabhängig davon, sind Enteignungen in einem Rechtsstaat grundsätzlich tabu. Wenn das Grundgesetz die Möglichkeit der Enteignung eröffnet, ist damit nicht das gemeint, was jetzt in den Artikel 15 hineininterpretiert wird. Es geht nicht um eine massenhafte Sozialisierung von Privateigentum, sondern um Einzelfälle. Ist es beispielsweise im allgemeinen Interesse, dass eine Straße gebaut wird und dieser private Grundstücke im Wege stehen, kann eine Enteignung mit entsprechender Entschädigung greifen. Was mit „Deutsche Wohnen und Co. enteignen“ beabsichtigt ist, schießt weit über das Ziel hinaus.

Es ist verständlich, dass die Berliner Mieter das Volksbegehren sympathisch finden. Und man kann davon ausgehen, dass ein Volksentscheid Erfolg haben dürfte. Die Umsetzung nach dem Durchlaufen aller juristischen Schritte, brächte aber keine schnelle Lösung. Sehr viele Jahre würden ins Land gehen mit offenem Ende. Die Mieter und vor allem die Politik müssen sich auf andere, schneller greifenden Maßnahmen konzentrieren. Vielleicht ist der heute von der SPD beschlossene „Mietendeckel“ eine Übergangslösung bis zu dem Zeitpunkt, an dem endlich genügend Wohnungen neu gebaut wurden.

Michael Müller hat zu Recht seine Koalitionäre heute scharf angezählt. Die unglaubwürdige Zurschaustellung der „Wir-lieben-uns-doch-alle“-Harmonie bei R2G ist spätestens seit heute Geschichte. Müller drohte, so lange Linke und Grüne Projekte im Senat zu blockieren, wie diese Parteien nicht der SPD u.a. beim Thema Sicherheit und dem Ausbau der U-Bahn entgegenkommen. Der gesellschaftliche Konsens wird schon seit langem von Linken und Grünen gefährdet. Politik ist die Kunst des Möglichen. Dazu muss man aber bereit sein, seiner ideologisierten Klientel auch Kompromisse abzuringen.

Grüne und Linke fühlen sich, bestätigt durch regel-mäßige Umfragen, der SPD überlegen und versuchen, das schamlos auszunutzen. Bis zum Herbst 2021 gilt aber, dass die SPD die führende Kraft im Abgeordnetenhaus ist. Grundlage des politischen Handelns sind Wahlen und keine Umfragen. Die Berliner Zeitung hat heute vorab die Werte von SPD, Linken und Grünen der neuesten Forsa-Umfrage für den Monat März veröffentlicht. Was, so fragt man sich, ist im März geschehen, dass die SPD nun wieder bei 15 Prozent steht, zwei Punkte weniger als im Februar? Und was ist passiert, dass die Grünen jetzt mit 25 Prozent, einem Plus von drei Punkten, stärkste Umfrage-Partei sind? Lediglich die Linke bleibt stabil bei 18 Prozent. Der gesunde Menschenverstand, den Müller bei den Linken und Grünen vermisst, hat sich offenbar auch bei vielen Berlinern verabschiedet. 43 Prozent Linke Klientel, die Sympathisanten der SPD noch nicht hinzugerechnet, können für eine tolerante und weltoffene Stadt nicht gut sein. Zeit, sich ernsthaft nach einem neuen Wohnsitz umzuschauen.

Ed Koch

  
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